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Frankreich – Gewerbliche Mietverträge und Covid19 – letzte Urteile (Update Mai 2021)

Noch immer lässt sich keine klare Linie aus der Rechtsprechung erkennen. Verschiedene erstinstanzliche Urteile liegen vor sowie nun Urteile des Berufungsgerichts, allerdings urteilend über erstinstanzliche Urteile im Eilverfahren. Dies bedeutet, dass die tatsächliche rechtliche Begutachtung durch den Hauptrichter noch aussteht, im Eilverfahren können nur zweifelsfreie Fälle geurteilt werden. Es scheint sich abzuzeichnen, dass

  • der Corona-Virus ein Fall höherer Gewalt ist, der aber nicht die Mietzinszahlung hindert,
  • die durch das verwaltungsrechtliche Verbot bedingte Schließung der Mieträumlichkeiten, als Verlust der Mietsache anzusehen ist, die ggf. zu einer Mietreduktion führen kann.

Berufungsgericht Versailles, 6. Mai 2021

Im Zusammenhang mit ausstehenden Mietzinsen eines Restaurants wurde wie folgt geurteilt:

–     Das verwaltungsrechtliche Verbot, das Restaurant zwischen dem 15. März und 15. Mai 2020 zu öffnen, ist ein Fall höherer Gewalt. Dem Vermieter steht somit keine Schuld zu, den Mietvertrag nicht ausgeführt zu haben.

–     Artikel 1722 des frz. Zivilgesetzbuches besagt, dass bei teilweiser oder ganzer Zerstörung der Räumlichkeiten eine Mietreduktion erfolgen oder das Mietverhältnis aufgehoben werden kann. Die Beurteilung, ob ein solcher teilweiser Verlust vorliegt und wie dessen Folgen zu bewerten sind, ist im Hauptverfahren zu urteilen.

Berufungsgericht Paris, 7. Mai 2021 (Unibail)

Ebenfalls im Zusammenhang mit ausstehenden Mietzinsen eines Restaurants in einem Einkaufszentrum hat das Berufungsgericht Paris Folgendes entschieden:

–     Das verwaltungsrechtliche Verbot, das Restaurant zu öffnen, ist nicht auf den Vermieter zurückzuführen, der weiterhin der Pflicht nachgekommen ist, die Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.

–     Allerdings ist nicht eindeutig, ob der Mietzins wegen des Schließungszeitraums geschuldet wird. Der Eilrichter verweist ebenfalls aufgrund von Artikel 1722 frz. Zivilgesetzbuch (siehe oben) auf die Zuständigkeit des Hauptverfahrens.

Berufungsgericht Paris, 25. Februar 2021, Nr. 18/02353

Ein Mieter forderte die Erstattung der Mietzinse an, die er während des Zeitraums zwischen dem 15. März und dem 11. Mai 2020 gezahlt hatte. Er argumentierte, dass er seine Tätigkeit während dieses Zeitraums – die in Frankreich einer behördlichen Anordnung entsprach, während dessen die nicht lebensnotwendigen Geschäfte nicht geöffnet werden durften – nicht ausüben konnte, so dass der Vermieter seiner Pflicht, die Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, nicht nachgekommen sein.

Das Gericht lehnt diese Argumentation ab: „Gemäß Artikel 1719 des frz. Zivilgesetzbuches ist der Vermieter aufgrund der Natur des Vertrages und ohne dass es einer besonderen Vereinbarung bedarf, verpflichtet, dem Mieter die Mietsache zu übergeben, indem er ihm für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, die ihrer vertraglichen Bestimmung entsprechen und in denen er die im Mietvertrag vorgesehene Tätigkeit ausüben kann, und dafür zu sorgen, dass er diese für die gleiche Dauer in Ruhe nutzen kann. Dieser Artikel hat nicht zur Folge, dass der Vermieter verpflichtet ist, dem Mieter den Goodwill der gemieteten Räumlichkeiten und die Stabilität des normativen Rahmens, in dem seine Tätigkeit ausgeübt wird, zu garantieren…“. Für die aufgrund des Covid19 angeordnete Schließung ist der Vermieter nicht verantwortlich.

Entscheidung des Vollstreckungsrichters, TJ Paris 20. Januar 2021, Nr. 20/80923

Im Rahmen eines Pfändungsantrages hat der Juge de l’exécution (Vollstreckungsrichter) des Pariser Gerichts in einem Urteil vom 20. Januar 2021 entschieden, dass die rechtliche Unmöglichkeit der Betriebsausübung innerhalb der gemieteten Räumlichkeiten aufgrund einer behördlichen Entscheidung, die während des Mietverhältnisses eingetreten ist, mit dem Verlust der Mietsache vergleichbar ist (Artikel 1722 des Zivilgesetzbuches).

Der gewerbliche Mieter, der die Mietsache nicht nutzen kann, ist von der Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses befreit und kann nicht auf die Zahlung der Mieten für den Zeitraum vom 16. März bis 11. Mai 2020 in Anspruch genommen werden.

Der Antrag das Konto des Mieters wegen ausstehender Mietzinszahlung zu pfänden, wurde somit abgewiesen.

Berufungsgericht Paris, 9. Dezember 2020, Nr. 20/0504

Das Berufungsgericht Paris hat in einer Entscheidung vom 9. Dezember 2020 wie folgt entschieden:

„Die vollständige Schließung des Betriebs des Unternehmens [des Mieters] im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Notlage dürfte den Charakter höherer Gewalt haben, so dass ernsthaft umstritten ist, ob nur die ab 11. März 2020 laufenden Mieten zu zahlen sind“.

Das Berufungsgericht Paris scheint die Auffassung zu vertreten, dass die vollständige Schließung des Betriebs aufgrund von Covid 19 als ein unabwendbares, unvorhersehbares und externes Ereignis angesehen werden könnte, das einen Fall höherer Gewalt im Sinne von Artikel 1218 der französischen Zivilprozessordnung darstellt.

Andere Urteile beziehen die Frage der höheren Gewalt dagegen auf die alleinige Zahlungspflicht des Mieters, die durch die Umstände nicht gehindert war.